Das Dilemma der Erwartungskreise
Ein RAC≡L®-Gedanke zum Thema Führung
Verfasst am 29. November 2017 von Ralf Klaus Lorenz
Wir alle befinden uns beinahe ständig in Konfliktsituationen, zumindest was die Zielkonflikte der verschiedenen Einflussbereiche unseres Lebens betrifft. Egal ob im Berufs- oder im Privatleben, wir schaffen es leider nur recht selten, alle Erwartungen, die wir haben und die an uns gestellt werden in Einklang zu bringen.
Besonders häufig wird das im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiter empfunden. Bildlich kann man diese Situation über das System der Erwartungskreise deutlich machen. Eine typische Situation sieht so aus:
Die Erwartungen, Wünsche und Motive des Arbeitgebers, bzw. der Führungskräfte sind nur zu einem Teil deckungsgleich mit denen der Mitarbeiter. Selbstverständlich variiert der gemeinsame Anteil je nach Arbeitgeber, nach Situation und nach Mitarbeiter. Aber es wird klar, dass in einer recht großen Anzahl der Fälle die Differenzen größer sind als die Gemeinsamkeiten. Damit ergibt sich zwangsläufig die Gefahr deutlicher Konflikte, die nicht nur Motivation, sondern auch intensiv Effizienz, Potential und Ressourcen kosten. Je größer der Einklang zwischen den Zielsystemen der Arbeitgeber und der jeweiligen Arbeitnehmer sind, umso besser kann die vorhandene Energie in die Erfüllung der gemeinsamen Ziele investiert werden. Was in der Folge logischerweise zu wesentlich besseren Ergebnissen und einem entsprechenden Erfolg führt.
Eine optimale Situation stellt sich in der Praxis z. Bsp. so dar:
Sicherlich gibt es immer eine gewisse Zielkonkurrenz, das ist aber auch gut so. Es dient, wenn es gezielt und bewusst thematisiert und eingesetzt wird, als weiterer Anreiz, eine entsprechende Entwicklung der Organisation zu erreichen. Auch hier zeigt sich die alte Regel, dass gut geführte Konflikte Energie und Wärme erzeugen, die sinnvoll genutzt werden können.
So weit so einfach. Aber es gibt ja noch andere Interessensgruppen, die die Situation durchaus noch verkomplizieren.
Eine weitere Gruppe, die im beruflichen Umfeld ein ganz eigenes Zielsystem hat, sind die Anteilseigner oder Share-Holder. Wenn man deren Erwartungen, Wünsche und Motive noch mit einbezieht, stellt sich die Situation noch komplexer dar:
Hier wird deutlich, dass sich die Gemeinsamkeiten weiter reduzieren und damit, wie oben beschrieben, die hemmenden Faktoren und Risiken weiter erhöhen.
Um der ein oder anderen Begehrlichkeit gleich entgegen zu wirken: die Abschaffung des Kapitals und die Enteignung ist wohl auch nicht der Stein der Weisen. Das sieht man spätestens, wenn man die Erwartungen, Wünsche und Motive der Umwelt, der Kunden, Lieferanten, Kommunen, Umweltverbände, Politik, Anwohner, etc. mit einbezieht:
Damit werden die Gemeinsamkeiten noch geringer und die Gefahr und die Folgen von Konflikten nehmen noch weiter zu.
Nein, auch die Vogel-Strauß-Politik, den Kopf in den Sand zu stecken ist keine Lösung, bange machen gilt nicht. Im Gegenteil, die einzige Möglichkeit, diesem Dilemma zu begegnen ist es, aktiv zu sein.
Viele erfolgreiche UnternehmerInnen und Unternehmen leben es heute schon vor und es ist eigentlich auch recht einfach. Eine gute Lösung ist, in einem ersten Schritt, die Erwartungshaltung, die Wünsche und die Motivstruktur der beteiligten Parteien kennen zu lernen. Hier müssen alle Gruppen in eine offene, klare, respektvolle und eindeutige Kommunikation eintreten. Wichtig ist, aufmerksam für die Bedürfnisse der anderen zu sein und ihre Beweggründe zu respektieren. Diese Verpflichtung trifft aber alle Parteien. Sobald einer oder mehrere diesen Weg nicht mitgehen, ist der gesamte Erfolg gefährdet. Basis für ein Gelingen ist gegenseitiges Vertrauen, welches zunächst durch Kompetenz, Klarheit und Konsequenz, den klassischen Führungseigenschaften, entsteht.
Die Erfassung der Beweggründe muss allerdings systematisch und nachhaltig erfolgen. Hier bieten sich Organisations- und Führungssysteme und Ansätze wie RAC≡L® an, die ein entsprechendes Verhalten in der DNA eines Unternehmens und den Beteiligten verankern und so langfristig das entsprechende Vertrauen und damit den Erfolg sichern.
Sobald die Erwartungen, Wünsche und Motive der beteiligten Parteien bekannt und bewusst sind, kann eine gegenseitige Anpassung erfolgen. Häufig zeigt sich bereits im Prozess des bewusst machens, dass ein großer Teil der Zielkonkurrenzen durch kleine Anpassungen in der Ausrichtung und Vorgehensweise zu aller Zufriedenheit gelöst werden können.
In diesem Zusammenhang verweise ich immer gerne auf die Geschichte der beiden kleinen Mädchen, die sich in der Vorweihnachtszeit bitterlich um die letzte Orange stritten. Nachdem der Streit bereits länger angedauert hat, entschied sich die Mutter sichtlich genervt zum Eingreifen. Sie nahm sich ein Messer und teilte die Orange in der Mitte.
Leider begannen danach beide Mädchen zu heulen. Was war des Rätsels Lösung? Eigentlich hat die Mutter gerecht geteilt und beide Mädchen hatten jeweils eine Hälfte der Orange. Hintergrund war aber, dass eines der Mädchen die Schale der Orange in Streifen haben wollte um damit zu basteln und ihre Schwester das Fruchtfleisch der Orange als Kugel gebraucht hätte für ein besonderes Weihnachtsdessert. So hatten bei der augenscheinlichsten aller Lösungen alle Parteien verloren, der Grad der Enttäuschung war maximal und der vorweihnachtliche Stress noch mal potenziert.
Und die Moral von der Geschicht? Einfaches Teilen schützt vor Konflikten nicht!
Es zeigt uns aber auch, dass es von zentraler Bedeutung ist, nicht nur die Situation zu erfassen, sondern auch die Beweg- und Hintergründe. In der Folge muss man zielführende Lösungsmöglichkeiten konsequent eruieren und dann auch umsetzen. So erreicht man Wertschöpfung durch Wertschätzung.
Wenn der konsequente Abgleich und die entsprechende Wertschätzung erfolgt, ergibt sich eine Situation, die sich folgendermaßen darstellt:
Auch hier wird wieder sichtbar, dass realistisch eine komplette Deckungsgleichheit nicht erreicht werden kann. Ziel muss es auch hier sein, die Deckungsgleichheit der Erwartungen, Wünsche und Motive so weitgehend es in der individuellen Situation möglich ist, herzustellen.
Gerade was die Ausgangssituation, das Verhältnis der Arbeitgeberseite, der Führungskräfte und der Mitarbeiter betrifft, so zeigt sich in der Erfahrung und dem Leben, dass im Laufe der Zeit eine Angleichung stattfindet. In der Folge entscheiden sich aber längerfristig auch die Mitarbeiter am ehesten zur Zugehörigkeit und Loyalität, bei denen die Deckungsgleichheit größtmöglich ist oder die, die sich mit den Differenzen arrangieren. Jedes Unternehmen erhält so die Mitarbeiter, die es verdient. Bei einer konsequenten Umsetzung und Nutzung des Erwartungskreismanagements wird sich der positive Effekt über der Gruppendynamik sogar noch verstärken. Die Leistungsfähigkeit des Unternehmens nimmt zu, das Arbeitgeberimage verbessert sich nachhaltig und das Unternehmen wird merklich erfolgreicher.
Die Lücken in der Übereinstimmung und die bestehenden Zielkonflikte sind jedoch auch und gerade in einem anderen Bezug der Gruppendynamik wichtig. Sie müssen so instrumentalisiert werden, dass sie dazu dienen und genutzt werden können, das Phänomen des Group-Think zu verhindern. Bei diesem interpretiert und bewertet eine Gruppe mit hoher Solidarität und Loyalität untereinander und zu den gemeinsamen Zielen Alternativen nicht realistisch. Der Wunsch nach Konsens beeinträchtigt die Wahrnehmung und führt zu gewünschten Interpretationen, vernebelt aber die Sicht auf optimale Lösungen. Der Gruppendruck hält die Gruppenmitglieder davon ab, ungewöhnliche, unpopuläre oder Minderheitsstandpunkte kritisch zu bewerten und in Betracht zu ziehen.
Letztendlich ist es wichtig, dass alle am selben Seil ziehen und das in die gleiche Richtung!
In diesem Sinne: führen Sie gut, auch und vor allem sich selbst!
Zum Autor:
Ralf Klaus Lorenz ist Dipl. Kaufmann und Wirtschaftsjurist und seit über 20 Jahren in verantwortlicher Position im Personalwesen tätig. Er verfügt sowohl in der Metall-/Elektro und der Lebensmittelindustrie, als auch im Groß- und Einzelhandel und der Dienstleistung über praktische Erfahrung. Seit nunmehr über sechs Jahren verantwortet er eine Personalmanagementberatung und ist neuerdings lizensierter RAC≡L® Berater und RAC≡L® Leadership Trainer und Coach.
Redakteur: Max Lill