Auch von uns: Nachlese zur Fußball-WM 2018 Danke Philipp Lahm

Ein RAC≡L®-Gedanke zum Thema Führung

Verfasst am 27. Juli 2018 von Ralf Klaus Lorenz

An dieser Stelle ist es Zeit Philipp Lahm beizustehen und eine Lanze zu brechen für den Kapitän der deutschen Nationalmannschaft von 2014 und damit einer überaus erfolgreichen Führungskraft.

Anlass ist die Schelte und Kritik, die er gerade aufgrund seines Artikels auf LinkedIn ertragen muss. Für seine Aussage, dass Jogi Löw der geänderten Struktur in der Nationalmannschaft durch eine situative Anpassung seines Führungsstils Rechnung tragen muss, wird er von ehemaligen Fußballspielern, Fernsehkommentatoren, Sportredakteuren und vielen anderen massiv kritisiert. Dabei werden munter Wertesysteme, Führungsstile und Führungstechniken durcheinander gewürfelt und sehr pauschal verurteilt.

Aber von Beginn: unbestritten ist, dass unser aktueller Fußball-Bundestrainer in einer Glanzleistung für die WM 2014 eine außergewöhnliche und als Team super erfolgreiche Mannschaft geformt hat. Für mich als Fußballfan und -laie, hat es sich so dargestellt, dass es in der Nationalmannschaft (Gott sei Dank) keine Neymars, Ronaldos, etc. gab, sondern, dass sehr gute Einzelspieler durch den Gesamtauftritt als Mannschaft die Stärken weiter herausgestellt und die Schwächen des Einzelnen kompensiert haben. Jeder im Team hatte seine Aufgabe: der Kämpfer und Läufer, der Vorbereiter, der Unterstützer, der Aufpasser, der „Ausputzer“ und auch der, der für den sozialen Zusammenhalt sorgte. Die wahre Meisterleistung war die Fähigkeit, ein so perfektes Team zu formen, dass sich die Teamdynamik optimal entwickelt und teilweise, für den Betrachter, zu einem wahren Rausch geführt hat. Bei dem legendären 7:1 gegen Brasilien hatte man mit den Gastgebern schon Mitleid. Hier hat Jogi Löw durch seinen kooperativen, motivierenden und vertrauensgebenden Führungsstil, der wohl seinem Wertesystem entspringt, genau richtig gelegen, wie der Erfolg zeigt. Auch durch die beispielhaften Führungstechniken mit der von außen optimalen Kombination von Management by objectives, by delegation. by systems, etc. wurde dieser Erfolg erst möglich.

Von daher kann es nicht angehen, dass diese (Führungs-)Leistung herabgewürdigt wird. Aber das will ja auch gar niemand, zumindest nicht Philipp Lahm. Im Gegenteil, er lobt Löw für die damalige Leistung in den höchsten Tönen. Er fordert aber das, was aktuellsten Erkenntnissen in der Führungslehre und anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnissen entspricht: einen situativen Führungsstil! Philipp Lahm hat ja gerade nicht sein Wertekorsett angegriffen, sondern nur den passenden Führungsstil eingefordert. Sein Wertesystem ist ohne Frage über jeden Zweifel erhaben und entspricht genau dem, was die junge Generation erwartet. Längst hat man eingesehen, dass nicht alle Menschen gleich sind und daher auch ein einheitlicher Führungsstil, der unabhängig von den betreffenden Menschen, der aktuellen Situation und der zugrundeliegenden Herausforderung angewandt wird, nicht zielführend ist. Wir haben erleben müssen, dass das Ergebnis eine desaströse Darstellung, eine katastrophale Teamleistung und ein verdientes Rausfliegen in der Vorrunde war. Man hatte den Eindruck die Spieler seien mit Valium ruhiggestellt worden und in Gedanken schon im Urlaub. Das Spiel war immer zu langsam, zu zögerlich, geprägt von der Angst Fehler zu machen. Vielleicht hat Philipp Lahm mit seiner Einschätzung recht, dass die jungen Spieler durch die Art der Ausbildung und die Prägung des individuellen Wertesystems in Richtung auf Erhöhung des Marktwertes bei anderen Vereinen und bei Werbepartnern das eigentliche Ziel verloren haben. Hier wird ein rein kooperativer Führungsstil nicht zielführend sein, hier sollte der Situation entsprechend im richtigen Moment auch ein entsprechender anderer Stil, mit autoritären, konsultativen und anderen Ansätzen gewählt werden. Die Situation, das Ziel und der Zweck entscheiden.

Zugegebenermaßen muss man eingestehen, dass die Erwartungshaltung enorm und der Druck durch die anderen Mannschaften schon sehr hoch war. Immerhin war die gesamte WM durch den unerwarteten Erfolg der Außenseiter geprägt. Aber aus meiner Sicht als Experte für Führung liegt des Pudels Kern wo anders. Es ist noch nicht so lange her, da hatte ich das außergewöhnliche Vergnügen mich mit dem letzten noch lebenden Weltmeister von 1954, Horst Eckel, auszutauschen. Besonders faszinierend fand ich den immer noch empfundenen Stolz, Teil der Nationalmannschaft gewesen zu sein und, dass er für Deutschland spielen durfte. Gerade dieser Stolz war wahrscheinlich der Klebstoff, aus dem die Teamleistung damals erwuchs. Hinzu kommt bestimmt das Bestreben, in einer Zeit, in der mehr kaputt war als ganz, etwas Gemeinsames zu schaffen. Im Unternehmensalltag wird dies durch einheitliche Visionen, Missionen und Werte und die daraus abgeleiteten Ziele und die Förderung gemeinsamer Aktivitäten erreicht. Aktuell beobachtet man wieder vermehrt den Trend zu einheitlicher Betriebskleidung. Hier wird versucht über die einheitliche Kleidung ein Symbol der Zusammengehörigkeit zu zeigen. Durch sie soll der Teamgedanke gefördert und die Loyalität zum Unternehmen nach außen getragen werden. Bei unserer Nationalmannschaft ist die einheitliche Teamkleidung schon aus technischen Gründen seit jeher Usus. Also sollten hier andere Symbole greifen. Vielleicht ist das bereits im Erfolgsjahr 2014 vielfach angemahnte gemeinsame Singen der Nationalhymne ein solches geeignetes Instrument. Immerhin kann man diesem neben der Gemeinsamkeit auch andere Funktionen zuschreiben. Es ist sicher nicht des Singens wegen, die Jungs sollen gut Fußballspielen und müssen nicht gut singen können, aber vielleicht schweißt es schon wegen des innewohnenden Symbolcharakters zusammen. Das Singen empfinde ich ganz persönlich als ein Bezeugen von Respekt für das Land, für das die Spieler auserkoren sind, zu spielen. Sie werden zu Vorbildern, zu Repräsentanten für ihr Land. Aber vielleicht gibt es auch andere Instrumente, um das Ziel der Teamkohäsion zu erreichen und den Gruppeneffekt wieder vor den Einzeleffekt zu platzieren.

Ja sicher, jetzt muss auch die Causa „Erdogan-Bild“ zur Sprache kommen. Keiner unserer Spieler soll durch seine Rolle als Repräsentant seines Landes seine ursprüngliche Herkunft verleugnen müssen, aber die Entscheidung für welches Land man aufläuft sollte durch das Herz, nicht durch den Geldbeutel entschieden werden. Guter Fußball entsteht neben einer exzellenten Technik aus dem Herzen. Und hier kommt aus meiner Sicht tatsächlich ein Suboptimum in der Führungsarbeit von Jogi Löw heraus. Gute Führung ist geprägt von den drei K, Kompetenz, Klarheit und Konsequenz. Die Erfahrung zeigt, gute Führung kann nur dann entstehen, wenn alle drei Komponenten tragfähig zum Einsatz kommen. In diesem Fall fehlt mir gerade die Konsequenz. Gerade im Fall der Nationalmannschaft sollte gelten: wer nicht voll dahintersteht, sollte nicht zum Kader gehören!

Aber gerade im Fall Özil zeigen sich noch andere Führungsschwächen im DFB Team. An die Adresse von Herrn Bierhoff, der im Nachgang eine Erklärung von Mesut Özil forderte, kann ich als Führungstrainer sagen: erstens vorher einfordern und wenn, dann nicht in den Medien, sondern immer intern und unter vier Augen. Wenn das dann nicht kommt, greift wieder die oben erwähnte Konsequenz. Zu den Ausführungen des DFB Präsidenten Reinhard Grindel mit seiner (nach dem Ausscheiden) aufgestellten Forderung, Özil solle sich erklären und „seinen Fehler“ eingestehen fällt mir Ähnliches ein. Aufgabe einer Führungskraft ist es vor, hinter und neben seinen Mitarbeitern zu stehen. Dazu gehört auch im Rahmen der transformationalen Führung seiner Verantwortung als Führungskraft dahingehend gerecht zu werden, seine Mitarbeiter anhand eines aktuellen Verhaltens in einen höheren Kompetenzstand zu bringen und zu entwickeln. In diesem Fall hätte er die Forderung einer Reaktion und Erklärung gleich und im Vorfeld aufstellen sollen. Auch der Hinweis auf die politische Dimension des Erdogan-Fotos hätte Özil vorher klar gemacht werden müssen, mit der entsprechenden Folge. Die ohne Zweifel entstandene Verunsicherung und Unruhe im Team, in der Struktur, in der Medienlandschaft und der Fan-Wahrnehmung hat sicher auch einen entsprechenden Anteil an dem Ergebnis der WM aus deutscher Sicht gehabt. Hinzu kommt, dass man so die in Zusammenhang mit dem Rücktritt Özils entstandene verbale Schlammschlacht wahrscheinlich hätte verhindern können.

Aus der Ferne und vom Stammtisch aus betrachtet hat das Team aber auch in der Vorbereitung schon nicht perfekt agiert. Eine hoch aufmerksame Führungskraft hätte da schon korrigierend eingreifen müssen. Vielleicht ist dies ja geschehen und hat nur noch nicht die entsprechenden Effekte gezeigt, wir werden es in Zukunft sehen können. Auf jeden Fall tut Jogi Löw aus Führungssicht gut daran, bei den Mitgliedern der Nationalmannschaft das Denken: „was tut die Mannschaft für mich?“, wieder dahin zu verändern, dass sie eher denken: „was kann ich für die Mannschaft tun?“.

Aber nun genug beklagt und gemosert. Frei nach dem Spruch Hinfallen, aufstehen, Krönchen richten und weitergehen mein Tipp an Jogi Löw und den DFB: analysieren Sie die Erlebnisse, beschließen Sie eine neue Strategie und vergessen Sie nicht gute Führung und damit gute Ergebnisse erreicht man am ehesten mit Respekt, Aufmerksamkeit und der entsprechenden Kompetenz!

Gehen Sie wertfrei und ohne Vorwürfe und Schuldzuweisungen in die Analyse, ziehen Sie die richtigen Schlüsse, entschädigen Sie die Fans mit einem Europameistertitel und bei der nächsten WM mit dem fünften Stern, dann ist alles gut.

In diesem Sinne: führen Sie gut, auch und vor allem sich selbst!

 

Zum Autor:

Ralf Klaus Lorenz ist Dipl. Kaufmann und Wirtschaftsjurist und seit über 20 Jahren in verantwortlicher Position im Personalwesen tätig. Er verfügt sowohl in der Metall-/Elektro und der Lebensmittelindustrie, als auch im Groß- und Einzelhandel und der Dienstleistung über praktische Erfahrung. Seit nunmehr über sechs Jahren verantwortet er eine Personalmanagementberatung und ist neuerdings lizensierter RAC≡L® Berater und RAC≡L® Leadership Trainer und Coach.

Redakteur: Max Lill

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